„Wenn man sich zu sehr aufs Ziel konzentriert, verpasst man alles, was unterwegs passiert.“
Ein Interview mit Dylan Bures, Film- und Video-Producer bei woom
Dylan on set
Dylan Bures arbeitet seit vier Jahren bei woom. Er begann als Praktikant und war einer der ersten drei im US-Marketing-Team. Dylan ist immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, um Geschichten aus der Welt von woom zu erzählen. Was ihn dabei antreibt, ist seine Leidenschaft für Fotografie und Videografie. Im Interview spricht Dylan darüber, was Storytelling auf beruflicher und persönlicher Ebene bewirken kann.
1. Wie bist du zu woom gekommen?
Ich war freiberuflicher Toningenieur bei einer Audioproduktionsfirma und auf Foto- und Videografie für Unternehmen im Raum Austin spezialisiert. Als ich merkte, dass mich die Musikbranche langsam aber sicher ausbrannte, sah ich eine Stellenanzeige von woom für ein bezahltes Praktikum im Bereich Marketing. Die Anzeige klang nach einer tollen Weiterentwicklungsmöglichkeit. Außerdem war der Zeitpunkt perfekt, zumal ich mehr Stabilität in mein bisheriges Freelancer-Leben bekommen wollte.
Ein paar Wochen später, im September 2018, wurde ich zum Vorstellungsgespräch mit dem damaligen Marketingleiter Dave Norris und Mathias Ihlenfeld, seines Zeichens Gründer von woom USA sowie einer der drei internationalen Geschäftsführer – unseren sogenannten „Chief woomsters“ – eingeladen. Ich fand Mathias von der ersten Sekunde an total cool und konnte mir sehr gut vorstellen, mit ihm zusammenzuarbeiten.
Ich erinnere mich noch, wie Mathias reinkam und seine Energie förmlich greifbar war. Das klingt vielleicht komisch, aber man merkt bei ihm einfach sofort, wie sehr er für woom und Fahrräder brennt. Ich war noch nicht mal vom Gespräch zurück zu Hause, als ich schon eine E-Mail im Posteingang hatte mit der Frage, ob ich eine Woche später anfangen könnte.
2. Seit deinem Start bei woom hat sich einiges getan. Wie haben sich deine Aufgaben verändert?
Als ich 2018 begann, war ich einer von zwei Praktikanten. Nach der Hälfte meines Praktikums hatte ich ein Gespräch mit Dave, in dem ich ihm sagte, dass ich gern weiter für woom arbeiten möchte. Eine Woche später haben sie mir einen Job angeboten.
Seitdem habe ich unterschiedliche Rollen und Aufgaben übernommen. Im Grunde war ich die ersten zweieinhalb Jahre Content Specialist, zuständig für die Bereiche E-Mail-Marketing, Grafikdesign, Social Media und alles, was mit Kommunikation zu tun hat. Seitdem das Marketing-Team vergrößert wurde, habe ich wieder mehr Zeit, um mich stärker auf den Bereich Foto und Video zu konzentrieren. Aktuell bin ich Foto- und Videoproduzent für woom US.
3. Wie schaut dein Arbeitsalltag aus?
Normalerweise geht es morgens los mit einer Menge E-Mails und Calls mit meinen Kolleg*innen in Europa. Ich bin nämlich dafür verantwortlich, dass alle für den globalen Markt bestimmten Videoproduktionen aus Europa auch für unsere Zielgruppe in den USA geeignet sind und umgekehrt. Gemeinsam erarbeiten wir auch Strategien für die Zukunft der Marke und verbessern unser Foto- und Videomaterial. Danach habe ich Meetings mit dem US-Team und kümmere mich darum, dass meine Kolleg*innen alles haben, was sie brauchen.
Was die Arbeit mit Fotos und Videos so besonders macht, ist, dass man sie nicht einfach nachträglich aufnehmen kann. Um die gewünschte Vision umzusetzen, bedarf es daher viel Vorbereitung. Wir versuchen also, bei Projekten und Kampagnen dem restlichen Team immer drei bis sechs Monate voraus zu sein.
Um diesen Job gut zu machen, müssen wir Bedürfnisse vorhersehen, noch bevor sie entstehen. Im Optimalfall ist alles bereit, bevor wir am Set sind. Wir kümmern uns um Drehgenehmigungen, Versicherungen, die Kommunikation mit unseren externen Crewmitgliedern und durchforsten Google Street View nach geeigneten Locations. Das Ziel ist immer, den perfekten Regieplan zu haben, bevor es losgeht.
4. Was gefällt dir an deinem Beruf besonders und wo liegen die größten Herausforderungen?
Der kreative Prozess gefällt mir besonders gut. Wen sprechen wir an? Wie können wir unsere Botschaft rüberbringen? Wo erzählen wir diese Geschichte? All diese kreativen und logistischen Aspekte müssen durchgeplant sein, damit die Produktion überhaupt stattfinden kann. Diese Teile zu einem Puzzle zusammenzusetzen, macht unglaublich viel Spaß.
Es gibt zahlreiche logistische Herausforderungen. Die gesetzlichen Vorgaben und Regeln für Videodrehs und Fotoshootings können sich von Ort zu Ort stark unterscheiden. Wettervorhersagen können uns einen Strich durch die Rechnung machen. Wir checken ständig die Sonnenauf- und Sonnenuntergangszeiten, um sicherzugehen, dass das Licht passt. Die Abstimmung all dieser Variablen zusammen mit dem Timing und dem Casting macht unsere Arbeit so komplex.
Eine weitere Herausforderung – allerdings im positiven Sinne – ist unsere internationale Zusammenarbeit. Die unterschiedlichen Zeitzonen, Standorte und Kulturen können herausfordernd sein. Ich arbeite sehr eng mit meinen europäischen Kolleg*innen zusammen.
Das Schöne daran ist, dass wir jedes Mal aufs Neue voneinander lernen, sodass jedes neue Shooting nochmal ein Stück besser wird als das vorherige.
Es ist toll zu sehen, wie sich alle Puzzleteile ergänzen, sobald alle am Set sind. Wenn wir dann von unseren Freiberufler*innen die ersten Fotos und Videos für die Produktion bekommen, atmen wir erst einmal auf, weil wir sehen, dass sich der ganze Aufwand im Vorfeld gelohnt hat, und freuen uns über das gelungene Ergebnis. Diese abschließende Belohnung ist für mich das Beste an meinem Job.
5. Wie bist du zum visuellen Storytelling gekommen?
Alles hat damit angefangen, dass ich mir einige Videos von Konzerten angeschaut habe. Anfang der 2000er begannen viele mehr oder weniger bekannte Bands, ihre Konzerte zu filmen. Mitte der 2000er ging YouTube mit ganz neuen Möglichkeiten online – unabhängige Filmemacher*innen drehten plötzlich Dokumentationen über alle möglichen Dinge.
Ich war damals jung und leicht zu beeindrucken, und so schwamm ich auf dieser Welle mit. Ich schaute mir stundenlang kurze Clips über alles Mögliche an. Für mich ist das das perfekte Format. Außerdem hole ich mir für viele der Storys hier bei woom Inspiration von meinem Lieblingsfilmemacher Beau Miles.
6. Wie bist du zur Foto- und Videografie gekommen?
Ich habe zwei Jahre lang das Community College hier in Austin besucht und wollte dann zur Texas State University wechseln, um Chemie zu studieren. Ursprünglich wollte ich für den National Parks Service im Bereich aquatische Chemie arbeiten. Doch dann kam es anders: Ich merkte, dass ich nicht mein ganzes Leben mit Chemie verbringen wollte.
Stattdessen entschied ich mich für einen Praxiskurs als Toningenieur am Recording Conservatory in Austin. Der Eigentümer hatte gerade begonnen, sich stärker mit Videos für Musikproduktionen auseinanderzusetzen und Live-Produktionen zu filmen. Er war auf der Suche nach Unterstützung und ich war ein Student mit zu viel Freizeit. Und so war ich zurück, wo alles begonnen hatte – bei Live-Auftritten von Bands, die ich filmen wollte. Für mich war das ein wahrgewordener Traum. Natürlich sagte ich sofort zu.
Nach ein paar Jahren schloss ich meine Ausbildung dort ab und arbeitete freiberuflich weiter in der Musikbranche. Ein Jahr später kehrte ich der Musikbranche dann den Rücken und machte mich als Foto- und Videograf selbständig.
7. Was hast du in deiner Zeit bei woom gelernt?
Mit der Antwort auf diese Frage könnte ich ein ganzes Buch füllen. Obwohl mein Lebenslauf nicht perfekt war, glaubten die Menschen hier bei woom an mich und an mein Potenzial, und haben mir ohne Abschluss ein Praktikum ermöglicht.
Bei woom herrscht ein hohes Maß an Vertrauen. Besonders hier in den USA, wo woom so schnell gewachsen ist, mussten manche woomster notgedrungen in Bereichen arbeiten, in denen sie sich vielleicht nicht so gut auskannten.
Ich hatte nie Angst, Ärger zu bekommen, wenn ich etwas nicht schaffte. Im Gegenteil – bei woom wird man ermutigt, Neues auszuprobieren.
woom unterstützt mich darin, dass ich mit meinen Aufgaben wachsen und meine Rolle ständig neu definieren kann. Das Arbeitsverhältnis ist vertrauensvoll und die Kommunikation wirklich gut. Bei woom ist deine Karriere das, was du draus machst: Wenn du Dingen auf den Grund gehen oder neue Sachen ausprobieren möchtest, bietet woom genau das richtige Umfeld dafür.
8. Was ist die wichtigste Lektion, die du im Laufe deiner Karriere gelernt hast?
Manchmal war ich viel zu sehr darauf fixiert, schnell von A nach B zu kommen. Ich musste erst lernen, den Weg zum Ziel zu genießen. Gerade in meinem Job, wo ich das Glück habe, viel reisen zu dürfen.
Es geht nicht darum, anzukommen, in 30 Minuten alles zu shooten und wieder zu fahren. Wenn man am gesamten Prozess Freude hat, haben alle mehr Spaß – die Kinder, die Eltern und die Crew – und es kommt ein besseres Endprodukt heraus. Das ist vergleichbar mit einem schönen Radausflug – du musst im Hier und Jetzt sein, um den Weg und jeden Moment bewusst wahrnehmen zu können.
9. Welches ist bisher dein Lieblingsprojekt bei woom gewesen?
Das tollste Projekt, das wir in den USA bisher gemacht haben, ist das woom NOW Photoshooting in Seattle Ende 2021.
Wir wollten die Vorteile des Pendels mit dem Rad vermitteln und dass es dabei nicht immer heiter und sonnig ist. In Seattle kann es oft sehr dunkel, regnerisch und grau sein und genau diese etwas düsterere Seite des Pendelns wollten wir zeigen.
Wir haben zwei Tage lang geshootet und, wie ich finde, den Nagel auf den Kopf getroffen. Die Kinder, das Styling, die Crew – alles hat sich perfekt ergänzt. Ich durfte schon an vielen tollen Projekten mitarbeiten, aber dieses war definitiv mein Lieblingsprojekt.
10. Das Brooklyn Magic Moments Video war ziemlich einzigartig. Kannst du uns mehr darüber erzählen?
Das Brooklyn Magic Moments Video hat großen Spaß gemacht. Unser Ziel war es, eine authentische Geschichte über eine radbegeisterte Familie zu erzählen. In den USA haben wir nicht gerade die beste Radinfrastruktur, also wollten wir daraus eine Geschichte machen. Ich wollte unbedingt mit David Mawhinney arbeiten, der nicht nur leidenschaftlicher Radfahrer, sondern auch ein toller Mensch mit einer ansteckenden Lebensfreude ist. Daher wollte ich der ganzen Welt von ihm und seiner Familie erzählen.
Wir mussten alles für den Dreh auf den letzten Drücker organisieren, weil wir in der Woche davor einen anderen Dreh hatten. Wir planen zwar normalerweise länger im Voraus, aber manchmal entstehen unter Druck die besten Ergebnisse. Und tatsächlich ist das, was hier in kürzester Zeit entstanden ist, ziemlich fantastisch geworden.
Beim Storytelling kann das Ergebnis immer nur so gut sein, wie das Ausgangsmaterial. David und seine Familie waren großartig und wir haben unser Bestes gegeben, um sie einfach wirken zu lassen.
11. Wie läuft der kreative Prozess bei dir ab? Wie gelangst du vom Konzept zum Endprodukt?
Da bin ich ein wenig wie ein verrückter Wissenschaftler, keine Ahnung, woher das kommt...
Mein Büro ist ein intimer Ort, den ich bis hin zur Wandfarbe und Beleuchtung ganz bewusst gestaltet habe. Dort hängt ein großes Whiteboard, auf dem meistens alles beginnt. Ich schließe mich in mein Büro ein, mache Musik an, versuche meinen Kopf auszuschalten und beginne zu kritzeln – wie ein verrückter Wissenschaftler eben.
Für den Fall einer kreativen Blockade habe ich zur Inspiration ein großes, gut gefülltes Bücherregal, in dem von Bänden berühmter Fotografen bis hin zu Schnäppchen vom Bücherflohmarkt alles zu finden ist. Außerdem können Recherchen im Internet super hilfreich sein. Ich versuche, meine Ideen nicht nur aus der digitalen Welt, sondern auch aus analogen Drucksorten zu ziehen, selbst wenn sie überhaupt nichts mit Rädern oder Kindern zu tun haben.
12. Bist du privat auch so kreativ?
Das einzig Kreative, was ich sonst noch tue, ist Kochen. Ich koche eher intuitiv und halte mich nicht gern an Rezepte. Statt Großeinkäufe zu machen, gehe ich lieber öfter einkaufen und schlendere durch den Supermarkt, bis mich etwas anlacht.
So ist immer alles frisch und es bleibt spannend. Außerdem schmeißen wir dadurch weniger weg, weil wir nur das da haben, was wir auch verwerten. So zu kochen, bringt Kreativität in unseren Alltag. Es ist chaotisch und einem sind keine Grenzen gesetzt – ein schöner Kontrast zum Arbeitsalltag.
13. Du bist leidenschaftlicher Radfahrer. Wie bist du zum Radfahren gekommen?
Ich habe früher mal Fußball gespielt, sogar halbwegs professionell. Ungefähr zu der Zeit, als ich bei woom angefangen habe, habe ich mich nach einem Ausdauersport umgeschaut – da lag Radfahren auf der Hand.
Angefangen habe ich mit dem Mountainbiken, aber da wurde ich zu übermütig, sodass ich nach kurzer Zeit aufs Rennradfahren und Gravel Biken umgestiegen bin. Mit einigen woomsters fahre ich einmal im Monat aus Austin raus und lasse für ein paar Stunden den Alltagsstress hinter mir.
Immer mit dabei habe ich meine Kompaktkamera. Sie passt perfekt in meine Trikottasche passt – so kann ich unterwegs immer abdrücken, wenn mir etwas Cooles vor die Linse kommt.
14. Was ist deine Vision für deine berufliche Zukunft?
Mein großes Ziel ist es, Kreativdirektor zu werden. Ich liebe die Bereiche Produktion und Foto/Video. Gleichzeitig macht es mir total viel Spaß, die kreative Gestaltung, die Abläufe und die Kampagnenergebnisse zu verantworten.
Ich finde die Vorstellung dieser kreativen Herausforderung ganz toll, aber ich bin auch mit meiner derzeitigen Aufgabe sehr zufrieden. Solange es mir Spaß macht und ich mich weiterentwickeln kann, werde ich dieses Ziel irgendwann erreichen, da habe ich es nicht so eilig.
15. Welche Ziele hast du für das Storytelling hier bei woom vor Augen?
In den nächsten ein, zwei Jahren werden wir weiter an unserem Storytelling-Fahrplan arbeiten und unser Netzwerk an kreativen Köpfen und unsere Storys weiter ausbauen. Wir haben schon verschiedene Ansätze für große und kleine Geschichten erarbeitet und ich freue mich darauf, diese umzusetzen.
Ich möchte sowohl Heldengeschichten als auch Alltagsmomente erzählen.
Ich persönlich suche gar nicht die augenscheinlich ganz großen Geschichten. Ich möchte nicht nur über Kinder, die mit dem Fahrrad die USA durchqueren, berichten, sondern auch über ein Kind, das zum ersten Mal zum Kindergarten radelt – auch das ist ein großer Moment. Mir geht auch um die Alltagsgeschichten einer „echten” Familie, die inspirieren.